Ab Herbst 1941 deportierten die Nationalsozialisten systematisch die im Deutschen Reich verbliebenen Jüdinnen und Juden „nach Osten“: Zehntausende Männer, Frauen und Kinder wurden in Ghettos und Lager im besetzten Osteuropa verschleppt. Der Deportationsbefehl war unerbittlich – ein Koffer war erlaubt, es blieb kaum Zeit, um alles zu regeln und Abschied zu nehmen. Dann wurden die Menschen aus ihrem bisherigen Leben gerissen. Wer konnte, schrieb Briefe an Verwandte und berichtete über diese Erfahrungen, die Sorgen und Ängste. Auch während des Transports, in den Ghettos und Lagern schrieben die Menschen Briefe, Postkarten, Tagebücher oder Chroniken, in denen sie das erfahrene Leid festhielten und verarbeiteten.
Wie haben die jüdischen Menschen das Unbegreifliche, das ihnen angetan wurde, wahrgenommen und beschrieben? Wie haben sie reagiert, als sie plötzlich aus ihrer Heimat vertrieben und in eine fremde Welt gestoßen wurden, in der sie mit Hunger und Elend konfrontiert waren, mit nahezu unerträglichen Bedingungen, mit Gewalt und Massenmord?
Im Obersalzberger Gespräch präsentiert Andrea Löw ihr neues Buch „Deportiert. ‚Immer mit einem Fuß im Grab‘ – Erfahrungen deutscher Juden“. Sie verwebt auf der Basis Hunderter Briefe, Postkarten, Tagebücher, Video-Aufzeichnungen und vieler weiterer Quellen die individuellen Geschichten zu einem bewegenden Zeugnis. Gert Heidenreich gibt den verfolgten Menschen eine Stimme. So kommen sie selbst zu Wort und schildern ihre Ängste und Hoffnungen, die Stationen bis zur Abreise und den Transport. Die meisten erwartete am Ziel der sichere Tod, wenige Überlebende berichten von Gefangenschaft, Flucht und Rettung.
Andrea Löw ist Leiterin des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin. Gert Heidenreich war viele Jahre Rundfunk- und Hörbuchsprecher beim Bayerischen Rundfunk.